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Stellungnahme des BBU zum Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen sowie zum Entwurf der Ersten Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen

Stand der Entwürfe 25.11.2011

 

Der Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen sowie der Entwurf der Ersten Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen sind hinsichtlich der nachfolgend aufgeführten Aspekte defizitär. Die Entwürfe der beiden Artikelgesetze sind überarbeitungsbedürftig und werden daher in der vorliegenden Form abgelehnt.

Soweit im Folgenden rechtliche Bestimmungen vorgeschlagen werden, die über die Anforderungen der Richtlinie 2010/75/EU hinausgehen, resultiert die Möglichkeit ihrer rechtlichen Verankerung aus Art. 193 AEUV.

Das der Änderung des BImSchG zugrunde liegende Konzept garantiert kein hohes Niveau der Begrenzung von Emissionen, sondern stellt in wesentlichen Teilen einen Rückschritt in der Emissionsminderungspoltik dar:

  • Bei der Festlegung von Maßnahmen zur Emissionsminderung sollen lediglich die BVT-Schlussfolgerungen, nicht jedoch die Erkenntnisse, die sich aus dem vollständigen BVT-Merkblatt ergeben, berücksichtigt werden. Damit werden wesentliche Erkenntnisse und potenzielle Anforderungen ausgeblendet.
  • Die Anforderungen an die Emissionsminderung, die sich aus den BVT-Merkblättern ergeben, werden nur unvollständig festgelegt und damit umgesetzt. So sollen sich diese Anforderungen gemäß § 7 Abs. 1a BImSchG lediglich  auf die Festlegung von Emissionsgrenzwerten beziehen. Erforderlich wäre hingegen eine Bestimmung, die festlegt, dass alle BVT-Schlussfolgerungen zwingend einzuhalten sind. Hierzu gehören insbesondere
    • Einrichtung von Umweltmanagementsystemen (EMAS, ISO 14001)
    • qualitative anlagentechnische Maßnahmen (z.B. Kapselungen)
    • qualitative organisatorische Maßnahmen (Anforderungen an das Verhalten von Beschäftigten)
  • Die Anforderungen an die Emissionsminderungen beschränken sich darauf, dass die Emissionen die in den BVT-Merkblättern genannten Bandbreiten nicht überschreiten dürfen. Die Emissionsbandbreiten bilden jeweils das Emissionsspektrum eines spezifischen Anlagetyps, wie es europaweit vorliegt, ab. In diesen Bandbreiten befinden sich sowohl Anlagen mit einem weit fortgeschrittenen Stand der Emissionsminderungstechnik wie auch Anlagen, für die dies nicht zutrifft. An den letzteren würde sich das BImSchG nun ausrichten, wenn es lediglich die höchsten Emissionswerte heranziehen würde. Dies steht im Widerspruch zu § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und betreiben sind, dass sie dem Stand der Technik entsprechen. Der Begriff „Stand der Technik“ ist in § 3 Abs. 6 BImSchG legaldefiniert und stellt den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen zur Emissionsminderung dar. Indem § 7 Abs. 1a BImSchG nun lediglich die Einhaltung der schlechtesten Emissionswerte, die sich aus den BVT-Merkblättern ergeben, verlangt, wird die Anforderung, genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem Stand der Technik zu errichten und zu betreiben, für Anlagen, die der IED unterfallen, faktisch außer Kraft gesetzt. Geboten wäre es hingegen, sich an den besten Anlagen, die sich aus der Betrachtung der BVT-Emissionsbandbreiten ergeben, zu orientieren
  • Doch selbst diese Werte, die sich aus den oberen Grenzen der Emissionsbandbreiten ergeben, werden nicht zwangsläufig in rechtliche Vorschriften und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheide einfließen. Denn gemäß § 7 Abs. 1a BImSchG soll lediglich gewährleistet werden, dass die Emissionen „unter normalen Betriebsbedingungen“ die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Dies wird auf S. 75 der Begründung des Gesetzentwurfs näher erläutert. Dies bedeutet, dass „vorgegebene Emissionsgrenzwerte numerisch auch außerhalb der Bandbreiten festgelegt werden können, wenn die sich daraus … ergebenden Betriebswerte im Bereich der Bandbreiten der BVT-Schlussfolgerungen liegen“. Damit wird nicht nur die Pflicht zur Einhaltung des Standes der Technik (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG) weiter ausgehöhlt. Es wird für IED-Anlagen auch der Grundsatz aufgegeben, technisch mögliche Emissionswerte als Grenzwerte festzusetzen. Durch die Annahme, dass sich aus einem vom Anlagenbetreiber gewählten Sicherheitsabstand bereits eine Einhaltung der festgelegten Emissionswerte ergeben würde, wird ein neues Element in das Immissionsschutzrecht eingeführt, dass an die Stelle der sicheren Einhaltung von Grenzwerten die bloße Spekulation über deren Einhaltung setzt. Ein Konzept, das versucht die Einhaltung der Grenzwerte durch die Genehmigung ihrer Überschreitung sicherzustellen, ist umweltpolitisch abzulehnen.
  • Doch selbst ein derartig ermittelter Emissionsgrenzwert ist nach dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht zwingend einzuhalten. Zwar wird im Entwurf der Novellierung des BImSchG nicht der in Art. 15 Abs. 4 S. 2 lit. a der RL 2010/75/EU aufgeführte Abweichungsgrund „geografischer Standort und lokale Umweltbedingungen der betroffenen Anlage“ aufgeführt und so ein weiterer Bruch mit den Prinzipien des bisherigen Immissionsschutzrechts vermieden. Allerdings soll der Abweichungsgrund aus Art. 15 Abs. 4 S. 2 lit. b der RL 2010/75/EU „technische Merkmale der betroffenen Anlage“ national umgesetzt werden. Mittels § 7 Abs. 1b BImSchG soll die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, die für bestehende Anlagen weniger strenge Emissionswerte festlegt, im BImSchG verankert werden. Zudem kann in der Verordnung bestimmt werden, dass die zuständige Behörde für bestehende Anlagen weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann. Maßstab hierfür soll das Verhältnismäßigkeitsprinzip sein. Derartige Abweichungsmöglichkeiten, deren Anwendung bestehende problematische Emissions- und Immissionssituationen verfestigen und ihre unbegrenzte Fortsetzung erlauben, sind zu streichen. Stattdessen sollte eine Bestimmung eingefügt werden, gemäß der Anlagengenehmigungen nach einer bestimmten Zeit (z.B. 10 Jahre) erlöschen, zum Weiterbetrieb ein erneuter Antrag und ein neuer Genehmigungsbescheid erforderlich sind und sich die Neugenehmigung am Stand der Technik, wie er zum Zeitpunkt der Neugenehmigung vorliegt, orientiert.

Diese Defizite kommen auch in den Neufassungen von § 12 BImschG (Nebenbestimmungen zur Genehmigung), § 17 BImschG (Nachträgliche Anordnungen), § 48 BImSchG (Verwaltungsvorschriften) und § 21 der 9. BImschV zum Ausdruck. § 12 BImschG, § 17 BImschG und § 21 der 9. BImschV sollten daher geändert werden.

Hinzu kommt, dass unklar ist, wie in BVT-Merkblättern aufgeführte Jahresmittelwerte eingehalten werden können, wenn in der Praxis (z.B. in der TA Luft) lediglich Tagesmittelwerte festgelegt werden. Eine Umrechnung der Jahresmittelwerte auf Tagesmittelwerte wäre wissenschaftlich nicht untermauert. Bei einer bloßen Multiplikation der Jahresmittelwerte mit einem Faktor 2 zur Definition des Tagesmittelwertes wäre eine Einhaltung der Emissionsbandbreiten der BVT-Merkblätter nicht gesichert, da es keine wissenschaftliche Untersuchung gibt, dass dies in allen Fällen eine hinreichend konservative Annahme ist.

Auch im Hinblick auf genehmigungsbedürftige Anlagen, die keine IED-Anlagen sind, bleibt der Gesetzentwurf defizitär. So sind die Schlussfolgerungen, die sich aus den BVT-Merkblättern ergeben, für diese Anlagen nicht zwingend als Mindestanforderungen einzuhalten, sondern gemäß § 3 Abs. 6 S. 2 BImSchG i.V.m. Anlage 1 Nr. 13 BImSchG lediglich zu beachten. Vergleichbare Sachverhalte werden damit zu Lasten des Schutzes vor Emissionen und Immissionen nicht gleich behandelt.

Auch hinsichtlich weiterer Betreiberpflichten ist der Gesetzentwurf defizitär. So soll in § 5 Abs. 3 Nr. 3 BImschG die Pflicht des Betreibers einer IED-Anlage festgelegt werden, Standortsanierungsmaßnahmen durchzuführen. Dies gilt allerdings nur eingeschränkt:

  • So beschränkt sich die Pflicht nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BImSchG auf IED-Anlagen. Betreiber anderer genehmigungsbedürftiger Anlagen nach dem BImSchG unterliegen dieser Pflicht nicht. Hierfür ist kein sachlicher Grund erkennbar. Die Regelung ist aus Gründen eines einheitlich hohen Schutzniveaus, wie es in § 1 Abs. 2 Anstrich 1 BImSchG aufgeführt ist, auf alle nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen auszudehnen
  • Gemäß der vorgesehenen Neufassung des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BImSchG gilt die Pflicht, Maßnahmen zur Beseitigung der Verschmutzung eines Anlagengrundstücks zu ergreifen, nur dann, wenn Kontaminationen des Bodens oder der Grundwasserbeschaffenheit durch „relevante gefährliche Stoffe“ vorliegen. Der Begriff der „relevanten gefährlichen Stoffe ist im BImSchG-Entwurf nicht legaldefiniert. § 4a Abs. 4 der vorgesehenen Neufassung der 9. BImschV stellt allerdings auf „relevante Stoffe oder Gemische“ gemäß Art. 3 der EU-Verordnung 1272/2008 ab. Diese Beschränkung ist nicht sachgerecht, da auch außerhalb des Stoff- und Gemischkatalogs der CLP-Verordnung relevante Substanzen existieren.  Hierzu gehören Substanzen, die in Art. 57 der EU-Verordnung 1907/2006 (REACH) aufgeführt sind:
    • Stoffe, die persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind (Art. 57 lit. d)
    • Stoffe, die sehr persistent und sehr bioakkumulierbar sind (Art. 57 lit. e)
    • Stoffe — wie etwa solche mit endokrinen Eigenschaften oder solche mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften, die die Kriterien von Art. 57 lit d, e der EU-Verordnung 1907/2006 nicht erfüllen — die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in den Buchstaben a bis e aufgeführter Stoffe von Art. 57 lit d, e der EU-Verordnung 1907/2006 (Art. 57 lit. f)

Es ist daher eine Legaldefinition des Begriffs der „relevanten gefährliche Stoffe“ vorzunehmen, die diese Substanzen umfasst.

  • Desweiteren sollen Maßnahmen zur Beseitigung der Verschmutzung gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 3 BImSchG nur erfolgen, soweit dies verhältnismäßig ist. Diese Einschränkung ist nicht sachgerecht und zu streichen. Sie ist zudem nicht richtlinienkonform, da Art. 22 der Richtlinie 2010/75/EU keine derartige Einschränkung vorsieht, sondern gemäß Art. 22 Abs. 3 S.3 der Richtlinie lediglich die Berücksichtigung der technischen Durchführbarkeit von Maßnahmen vorsieht
  • An § 13 Abs. 2 der 9. BImSchV soll gemäß dem Verordnungsentwurf die Bestimmung angefügt werden, dass ein vom Antragsteller vorgelegter Bericht über den Ausgangszustand, der von einem Sachverständigen nach § 18 BBodSchG erstellt oder bestätigt wurde, als Sachverständigengutachten i.S.v. § 13 Abs. 1 der 9. BImSchV anzusehen ist. Bisher beschränkte sich in vergleichbaren Fällen diese Gleichsetzung auf die Erstellung des Gutachtens. Eine weitere Aufweichung der Grenzen wischen Behördengutachten und Betreibergutachten wird abgelehnt.

Auch hinsichtlich der Unterrichtung und Beteiligung der Öffentlichkeit bleibt der Entwurf der Novellierung des BImschG defizitär:

  • § 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG und § 8 Abs. 1 S. 1 der 9. BImschV sehen zwar vor, das ein beantragtes Vorhaben auf der Internetseite der Genehmigungsbehörde öffentlich bekannt gemacht wird. Allerdings erfolgt die Bekanntgabe in einem Druckerzeugnis lediglich alternativ in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt oder einer Tageszeitung. Da viele Betroffene weder ein amtliches  Veröffentlichungsblatt abonniert haben noch kontinuierlich die Internetseite der zuständigen Genehmigungsbehörde in Augenschein nehmen, ist die Veröffentlichung in der Tageszeitung von hoher Relevanz für die Anstoßwirkung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Statt der alternativen Formulierung ist daher eine kummulative Formulierung zu wählen
  • Die Einschränkung in § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG und § 10 Abs. 1 der 9. BImSchV, dass eine Veröffentlichung der zum Genehmigungsantrags zugehörigen Unterlagen auf der Internetseite der Genehmigungsbehörde nur dann erfolgt, wenn diese Dokumente in elektronischer Form vorliegen, ist unzureichend. Denn so kann ein Antragsteller der Veröffentlichung entgehen, in dem der Behörde kein elektronisches Exemplar übermittelt. Der Halbsatz „wenn sie in elektronischer Form vorliegen“ ist daher zu streichen und eine Pflicht zur elektronischen Übermittlung durch den Antragsteller aufzunehmen.
  • Die Veröffentlichung der Unterlagen zum Genehmigungsantrag gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG und § 10 Abs. 1 der 9. BImSchV lediglich während der Dauer der Auslegung ist unzureichend. Eine aktive Informationspolitik muss die ständige und kontinuierliche Information der Bevölkerung umfassen. Es ist daher festzulegen, dass der Genehmigungsantrag, der Genehmigungsbescheid, Änderungsgenehmigungen und Anzeigen von Anlagenänderungen sowie nachträgliche Anordnungen einschließlich der jeweils zugehörigen Unterlagen kontinuierlich auf der Internetseite der jeweiligen Genehmigungsbehörde zur Verfügung gestellt werden. § 21a der 9. BImSchV, wonach der Genehmigungsbescheid ins Internet zu stellen ist, wird diesem Anspruch nicht gerecht. So beschränkt sich die Vorschrift auf den Genehmigungsbescheid, nimmt aber die zu seinem Verständnis zwingend erforderlichen Antragsunterlagen, auf die im Genehmigungsbescheid Bezug genommen wird, aus. Die Ausnahmeregelung ist daher zu streichen. Zudem ist die Dauer der öffentlichen Bekanntmachung nicht konkretisiert. Dies kann zur Folge haben, dass der Genehmigungsbescheid nach kurzer Zeit wieder von der Homepage der zuständigen Behörde genommen wird. Es ist daher sicherzustelle, dass der Genehmigungsbescheid einschließlich der Unterlagen, auf die er sich bezieht, permanent auf der Homepage zur Verfügung steht.
  • § 10 Abs. 6 BImSchG in der derzeit gültigen Fassung ermöglicht keine angemessene Beteiligung der Bevölkerung, sondern stellt mit dem Erörterungstermin ein wesentliches Element der Bürgerbeteiligung lediglich in das Ermessen der Behörde. Die erfolgte Umwandlung des obligatorischen in einen fakultativen Erörterungstermin ist daher rückgängig zu machen.

Im Rahmen der nationalen Umsetzung der Richtlinie 2010/75/EU wurde darüber hinaus die 4. BImSchV umfassend geändert. Es ist zu begrüßen, dass aufgrund der Nr. 10.2 des Anhangs I der 4. BImschV nun Betriebsbereiche i.S.d. 12. BImSchV vom Geltungsbereich der 4. BImSchV umfasst werden sollen. Jedoch sollte diese Verankerung präzisiert und ausgeweitet werden:

  • Es werden nur Anlagen umfasst, die selbst Betriebsbereich sind. Dies ist nicht ausreichend, da ein Betriebsbereich in der Regel aus mehreren Anlagen besteht und damit keine isolierte Anlage darstellt. Es sollte klargestellt werden, dass es darauf ankommt, dass bei den fraglichen Anlagen unter der Nr. 10.2 des Anhangs I der 4. BImschV die Mengenschwellen der Spalte 4 der 12. BImSchV überschritten werden
  • Der Anwendungsbereich der Nr. 10.2 des Anhangs der 4. BImSchV sollte auch weitere Anlagen umfassen, soweit sie Teile von Betriebsbereichen sind. Es muss sichergestellt werden, dass relevante einzelne Anlagen eines Betriebsbereichs, die aufgrund zu geringer Stoffmengen selbst keinen Betriebsbereich darstellen könnten, ebenfalls von der Genehmigungspflicht umfasst werden, z.B. durch eine analoge Anwendung des 2%-Kriteriums der Nr. 4 des Abschnitts „Anwendbarkeit der Verordnung“ des Anhangs I der 12. BImSchV.
  • Die Festlegung unter Nr. 10.2.2 des Anhangs zur 4. BImschV, dass Anlagen, die lediglich den Grundpflichten der 12. BImSchV unterliegen, in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG genehmigt werden können, ist nicht sachgerecht. Das besondere Gefahrenpotential dieser Anlagen wird nur angemessen berücksichtigt, wenn für alle Anlagen ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG (mit Öffentlichkeitsbeteiligung) durchgeführt wird
  • Gemäß § 2 Abs. 2 der 4. BImSchV ist, wenn eine Anlage gleichzeitig vollständig verschiedenen Anlagenbezeichnungen im Anhang zugeordnet werden kann, die speziellere Anlagenbezeichnung maßgebend, Es ist zu befürchten, dass in der Vollzugspraxis die Charakterisierungen unter Nr. 10.2. des Anhangs zur 4. BImSchV jeweils als allgemeiner angesehen werden und hinter die einzelnen Charakterisierungen des Anhangs I der 4. BImSchV zurücktreten. Damit kann der Fall auftreten, dass z.B. ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung aufgrund der Einordnung unter Nr. 10.2.1 des Anhangs zur 4. BImschV erforderlich wäre, eine „speziellere“ Einordnung aber zu dessen Wegfall führen würde. Dies würde dem Gefahrenpotential von Betriebsbereichen nicht gerecht werden. Es ist daher eine Bestimmung einzufügen, die sicherstellt, dass die jeweils weitest gehenden Anforderungen erfüllt werden, wenn Anlagen, die unter die Nr. 10.2 des Anhangs I zur 4. BImSchV fallen, gleichzeitig auch unter andere, „speziellere“ Nummern“ fallen.

Bei der Übertragung von Anlagen der Nr. 10.1 des Anhangs I der 4. BImSchV ist es zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs gekommen. Anlagen zum Laden, Entladen oder Delaborieren von Munition oder sonstigen Sprengkörpern werden in der neu vorgesehenen Nr. 10.1 des Anhangs I der 4. BImSchV nicht mehr aufgeführt. Dies wird auch nicht dadurch aufgefangen, dass solche Anlagen nun unter die Nr. 10.2 des Anhangs I der 4. BImSchV fallen könnten. Denn die Zuordnung hierzu kann nur erfolgen, wenn die unteren Mengenschwellen der Stoffliste zur Störfall-Verordnung erreicht oder überschritten werden. Daher sollte wieder die frühere Formulierung der Nr. 10.1 des Anhangs I der 4. BImSchV gewählt werden.

Ergänzungsbedürftig ist auch § 29b BImSchG. So fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage durch Rechtsverordnung festzulegen, dass Sachverständige, die Prüfungen nach § 29a BImschG durchführen, bestimmte Pflichten zu erfüllen haben. Eine derartige Ermächtigung sollte in § 29b BImSchG aufgenommen werden

In diesem Zusammenhang ist auch § 17 des Entwurfs der Bekanntgabeverordnung (41. BImSchV) „Pflichten für Sachverständige nach § 29a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“ relevant. § 17 der Verordnung regelt entgegen der Aussage des Titels lediglich Pflichten für bekanntgegebene Sachverständige. Es ist kein Grund ersichtlich, warum nicht bekanntgegeben Sachverständige von den Regeln des § 17 Bekanntgabeverordnung ausgenommen werden sollten. Dies gilt sowohl für die Anforderung, Erfahrungsberichte zu erstellen, die der Kommission für Anlagensicherheit zur Auswertung übermittelt werden, wie auch für die weiteren in § 17 Bekanntgabeverordnung aufgeführten Pflichten.

Hinsichtlich der Änderung der 5. BImSchV ist festzustellen, dass sich diese auf eine 1:1-Übertragung der alten Verordnung beschränkt. Hierbei mangelt es beispielsweise an einer systematischen Anpassung von Anhang II B „Fachkunde an den Störfallbeauftragten“. So würde es beisspielsweise der folgenden Änderungen bedürfen:

  • die explizite Aufführung von Abfällen als spezielles Gemisch unter Nr. 2 Anhang II B der 5. BImschV
  • die explizite Aufführung der Kenntnis des Schutzes vor umgebungsbedingten Gefahrenquellen
  • die explizite Aufführung der Kenntnis über Sicherheitsrelevante Anlagenteile und sicherheitsrelevante Teile eines Betriebsbereichs.
  • die explizite Aufführung der Kenntnis von für die Anlagensicherheit relevanten menschlichen Faktoren.

Für den BBU
Oliver Kalusch (Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des BBU)

Bonn, 11.01.12