Rede zur Demonstration gegen die UAA Gronau -
für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen am 09.10.2004
in Gronau
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Freundinnen und Freunde!
Im Namen des Arbeitskreises Umwelt Gronau begrüße ich
Euch zu dieser Demonstration, die sich gegen alle Schattierungen
der Atomindustrie richtet, vom Uranabbau bis hin zur Produktion
von Atomwaffen.
Und ich begrüße Euch auch im Namen des Vorstandes des
Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz. Ganz herzliche
Grüße soll ich von meinem bayrischen BBU-Vorstandskollegen
Eduard Bernhard ausrichten. Als Urgestein der Anti-Atomkraft-Bewegung
hätte Eduard Euch gerne über die Erfolge der Anti-Atomkraft-Bewegung
in den letzten Jahrzehnten berichtet - von den zahllosen Atomkraftwerken,
deren Bau verhindert wurde bis hin zur Stilllegung der Hanauer Brennelementefabriken.
Leider musste Eduard aber mit Blick auf die lange Fahrt und auf
sein nicht mehr ganz jugendliches Alter seine Teilnahme absagen.
Eine Entscheidung, die ihm nicht leicht gefallen ist.
Sein dringender Appell an uns alle lautet: Auch wenn noch immer
Atomanlagen unsere Gesundheit gefährden - lasst uns die Erfolge
von Wyhl, Wackersdorf und Kalkar nicht vergessen und auch immer
wieder gebührend feiern!
Auch in Gronau lassen sich Erfolge vorweisen, auch wenn sie nicht
so spektakulär wie in Gorleben oder anderswo sind. Immerhin
hat hier die Urananreicherungsanlage längst nicht die Kapazität,
die sich die Betreiber für den Beginn des 21. Jahrhunderts
erhofft hatten.
Und es gibt in Gronau eine Bürgerinitiative, die mit über
20 Jahren zu den ältesten Anti-Atomkraft-Initiativen in der
Bundesrepublik zählt. Auch wenn der Zulauf aus Gronau größer
sein könnte, spüren wir doch immer wieder, dass wir dem
Atomkonzern Urenco ein massiver Dorn im Auge sind. Seit fast 20
Jahren ist die UAA in Betrieb und dennoch ist sie heftig umstritten.
Immer wieder wird Urenco mit massiver Kritik konfrontiert, immer
wieder gibt es durchgehend seit 1986 Sonntagsspaziergänge und
immer wieder gibt es Demonstrationen und andere Protesteaktionen.
Vor den Toren der Stadt Gronau steht eine Fabrik, die auf den ersten
Blick ziemlich unscheinbar aussieht. Aber sie hat eine weltweite
Bedeutung für die Atomindustrie. Hier in Gronau an der Kaiserstiege
steht die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage, kurz UAA genannt.
In der UAA wird Uran für den späteren Einsatz in Atomkraftwerken
vorbereitet. Ohne Urananreicherung wäre der Betrieb fast aller
Atomkraftwerke unmöglich.
Bisher kann in Gronau Uran für den Betrieb von etwa 14 Atomkraftwerken
pro Jahr angereichert werden. Dies genügt den Betreibern, der
Fa. Urenco, jedoch nicht.
Urenco will die Kapazität derAnlage massiv ausbauen.
Urenco will noch mehr giftiges und radioaktives Uranhexafluorid
neben der UAA in Fässern unter dem freien Himmel lagern.
Urenco will, dass noch mehr Urantransporte über Europas Straßen
und Schienen und über die Weltmeere fahren.
Und Urenco will an der Kaiserstiege eine Halle für ein sogenanntes
Zwischenlager bauen. Ein Lager, in dem ca. 60.000 Tonnen Uranoxid
gelagert werden sollen. Gronau ist eben einzigartig:
Neben der bundesweit einzigen UAA soll das bundesweit einzige Lager
für Uranoxid gebaut werden. Und zur Finanzierung des einzigen
bundesdeutschen Rock- und Popmuseums hier in Gronau wird auch auf
Urenco-Gelder spekuliert. Da ist es schon erfreulich, dass sich
Gronaus Rockkönig Udo Lindenberg kürzlich eindeutig gegen
die UAA ausgesprochen hat. Im Rahmen der Eröffnung des Rockmuseums
hat er sich bewußt mit den örtlichen Anti-Atomkraft-Initiativen
solidarisiert.
Am Rande sei nur erwähnt, dass auch die neue Bürgerhalle
in Gronau mit Urenco-Geldern finanziert wurde. Und zahlreiche Gronauer
Vereine haben Spenden der Urenco angenommen. Dies erklärt,
warum viele in Gronau zur UAA schweigen. Doch es gibt auch Ausnahmen,
es gibt Vereine, die bewusst atomare Gelder ablehnen. Denn:
Die Gefahren muß die Bevölkerung tragen!
Weder die UAA noch das geplante Zwischenlager sind gegen Flugzeugabstürze
gesichert. Die Urenco geht zynischerweise davon aus, dass die UAA
nicht sabotagemäßig angeflogen werden kann. Ihre Begründung
ist haarsträubend.
Ich zitiere aus der Kurzbeschreibung zu den Ausbauplänen:
Aufgrund der Gebäudestrukturen (niedrige Gebäude) und
der Nähe von Waldflächen stellt die Urananreicherungsanlage
ein sehr schwierig zu treffendes Ziel dar. Vorgelagerte Gebäude
bieten einen Schutz für Teilbereiche der Gebaude.
Bei der Abschlusskundgebung werden wir nachher an der Kaiserstiege
sehen, wie groß das gesamte UAA-Gelände ist.
Wir werden die bestehende UAA und die Ausbauflächen sehen.
Und wir werden sehen, dass bei der Größe des Komplexes
selbst ein ungeübter Bomberpilot mit einem gezielten Anflug
die UAA vernichten kann.
Die Folgen eines Angriffes oder eines Flugzeugabsturzes wären
schrecklich: Auch hierzu liefert Urenco selber in der Kurzbeschreibung
Horrordarstellungen:
Nimmt man an, dass sich die Betroffenen nicht schützen, so
kann es am Stadtrand durch die Einwirkung von Flußsäure
und Uran zu schweren gesundheitlichen Schäden bis hin zu Todesfällen
kommen. Am Rathaus sind ohne Schutzmaßnahmen dauerhafte gesundheitliche
Schäden nicht auszuschließen.
Soweit Urenco. Das heißt konkret: Wenn in diesem Moment ein
Flugzeug in die Uranfabrik stürzen würde, wären wir
hier an dieser Stelle, in einer Entfernung von ca. 4 km maßgeblich
betroffen!
Ebenso gefährlich sind die zahllosen Urantransporte, die nicht
nur die Gronauerinnen und Gronauer bedrohen, sondern auch die Bevölkerung
in verschiedenen Ländern. So wird z. B. Uran von Frankreich
nach Gronau gebracht, während Uran von Gronau nach Russland
transportiert wird.
Sollten die Ausbaupläne der Urenco genehmigt werden, drohen
Gronau täglich durchschnittlich 13 LKW mit Uran oder 4 Bahnwaggons.
Enorme Zahlen. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Transport
verunglückt. Im letzten Jahr gab es in den Niederlanden einen
Uran-Transportunfall und letzte Tage ereignete sich in Frankreich
ein Uran-transportunfall.
Glücklicherweise regt sich gegen diese Gefahren Widerstand!
Gegen die Ausbaupläne wurden im letzten Jahr über 7000
Einsprüche erhoben, darunter auch viele aus dem benachbarten
Losser. 4 Tage dauerte im Sommer 2003 der folgende Erörterungstermin,
bei dem die schriftlichen Einsprüche mündlich vetieft
wurden. Das Ergebnis liegt noch in der Schublade, doch das zuständige
NRW-Energieministerium will die Genehmigung erteilen. Doch offenbar
gibt es auch noch einige Hemmnisse, vermutlich im Bereich Strahlenschutz.
Die Urenco will an der Kaiserstiege einen angeblichen Lärmschutzwall
errichten - angeblich um die naheliegende Kleingartenanlage vor
dem Baulärm zu schützen. Zu vermuten ist jedoch, dass
der Erdwall der Urenco helfen soll, die Radioaktivität abzuschirmen,
um am Zaunbereich nicht über den Grenzwerten zu liegen.
Proteste ganz besonderer Art gab es im Juni. Da wurde im Münsterland
massiv gegen einen Urantransport nach Russland demonstriert. Zum
Teil gab es auch beiderseits der deutsch - niederländischen
Grenze recht erfolgreiche Blockaden. Deutlich wurde: Nicht nur Castor-Transporte,
sondern auch Urantransporte sind ein lohnendes, wichtiges und kreatives
Ziel für Proteste unterschiedlicher Art.
Und von diesen Urantransporten gibt es in unserer Grenzregion zahllose.
Sie rollen von und nach Gronau, sie rollen im Zusammenhang mit dem
Betrieb der niederländischen UAA der Urenco in Almelo, und
sie rollen von und nach Lingen, wo 40 km nördlich von Gronau
neben dem Atomkraftwerk vesteckt im Wald die momentan einzige deutsche
Brennelementefabrik arbeitet.
Gerade gegen diese drei Uranfabriken richtet sich unser heutiger
Protest, der unter dem Motto steht, den Uranhahn zudrehen. Aber
er richtet sich auch gegen jegliche Atomanlage, denn sie alle stehen
in einem direkten Zusammenhang.
Urananreicherung erfordert Uranabbau.
Urananreicherung fördert den Betrieb von AKWs und die Atommüllproduktion.
Und so gilt unser Schulterschluß besonders auch den Menschen,
die sich gegen die Lagerung von Atommüll in Ahaus, Gorleben
und anderswo zur Wehr setzen, zumal auch Atommüll aus Gronau
im Gorlebener Faßlager eingelagert wird.
Wir wehren uns gegen den Einsatz von Uranwaffen und gegen die Beteiligung
der Atomkonzerne am Uranabbau.
Und wir wehren uns gegen die ständig neuen Versuche, die Anti-Atomkraft-Bewegung
in eine kriminelle Ecke zu drängen. Und so weise ich aktuell
darauf hin, dass am Montag um 12.00 Uhr vor dem Ahauser Amtsgericht
ein Prozess gegen einen Atomkraftgegner stattfindet. Ihm soll zur
Abschreckung der gesamten Bewegung eine erhebliche Strafe aufgebrummt
werden. Wer Zeit hat, sollte an dem Prozeßtermin teilnehmen.
Trotz des ernsten Themas wünsche ich Euch und uns viel Spaß
bei der Demonstration.
Laßt uns alle gemeinsam dazu beitragen, dass wir der Stilllegung
der UAA und dem wahren Ausstieg aus der Atomenergie weltweit näher
kommen.
BBU e.V.
Udo Buchholz, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
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