Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
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Die Aufarbeitung der Schwefelsäurehavarie im Hamburger Hafen nimmt der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU) zum Anlass, um zu warnen:

Liberalisierung der Binnenschifffahrt gefährdet Sicherheit auf den europäischen Wasserstraßen / Weitere Tankerunfälle vorprogrammiert!

Laut Presseberichten soll das Führungspersonal der Norddeutschen Affinerie bereits seit einem halben Jahre gewusst haben, dass der Schiffsführer des havarierten Schwefelsäuretankers alkoholkrank war. Dass die Affinerie den Schiffsführer des Gefahrgutschiffs nicht von seinen Aufgaben entbunden hat, beurteilt der BBU als mittlerweile symptomatisch für den beinharten Konkurrenzkampf in der Binnen- und Küstenschifffahrt.

Die Anfang des Jahres vom NA-Management vorgenommene radikale Kostensenkung bei den Schwefelsäurentransporten steht nach Auffassung des BBU in direktem Zusammenhang mit dem jetzigen Tankerunfall. Die Entlassung der alteingesessenen und renommierten Hamburger Firma Robert Eckelmann Transport und Logistik GmbH, die bis Ende 2003 das Fachpersonal für die Schwefelsäure-Tanker der NA stellte, aus dem Vertrag und die Neuvergabe an ein Unternehmen, das gut 40 Prozent unter dem Eckelmann-Gebot lag, leitete offenbar einen entscheidenden Schritt von der Kostensenkung zur Senkung der Sicherheitsstandards ein. Der bei Eckelmann beschäftigte und für die NA-Schwefelsäuretransporte eingesetzte Schiffführer war am 26. Dezember 2003 vom Werkschutzes der Affinerie wegen Trunkenheit von Bord geholt und von der Firma Eckelmann als Schiffsführer suspendiert worden. Trotz dieses Vorfalls wurde der Schiffsführer, der ab 01. Januar 2004 beim neuen NA-Auftragnehmer Hanseatische Tanklogistik beschäftigt wurde, von dieser wieder für die NA-Schwefelsäuretransporte eingesetzt, was die NA offensichtlich akzeptiert hat.

Eine Kostenreduzierung um fast die Hälfte birgt die Gefahr, das die im Gefahrguttransport notwendigen personellen Voraussetzungen, wie Zuverlässigkeit, Fachkenntnisse und Weiterqualifizierung, nicht eingehalten werden können. Bei einem Jahrestransport von ca. einer Million Tonnen Schwefelsäure, wie bei der NA, müsste nach Meinung des BBU von Seiten der staatlichen Aufsicht eine spezielle Qualitäts- und Sicherheitskontrolle vorgenommen werden.

Die Liberalisierung in der Binnenschiffahrt hat dazu geführt, dass erfahrene Schiffsführer "'der alten Schule' - diese fühlten sich oft mit 'ihrem' Schiff 'verheiratet' - in den vergangenen Jahren nicht selten in die Wüste geschickt worden sind, weil sich auch namhafte Reedereien deren ordentliche Bezahlung offenbar nicht mehr leisten wollen. Kostengünstigerer personeller 'Nachschub'- vor allem aus den südosteuropäischen Ländern - war gewünscht. Aufgrund des Sozialdumpings in der Binnenschifffahrt muss die Wasserschutzpolizei immer öfters Schiffsführer aus dem Verkehr ziehen, die zu einer Gefahr für die restliche Schifffahrt werden - entweder weil sie unfähig sind, die großen Frachter und Schubverbände zu lenken oder weil sie einfach zu viel gebechert haben.

Beispielsweise war bei einem ukrainischen Schiffsführer, der im Auftrag "einer bekannten deutschen Reederei" auf der Donau fuhr, der unorthodoxe Fahrstil aufgefallen. Die Wasserschutzpolizei musste bei diesem Schiffsführer "beachtliche" 2,13 Promille Alkohol im Blut feststellen. Ein anderer Schiffsführer hatte zielgenau den einzigen Pfeiler der Autobahnbrücke bei Linz an der Donau gerammt - und sich anschließend aus dem Staub gemacht. Dem Schiffsführer war mit dieser Havarie "eine Premiere" gelungen, war er doch der erste, dem es seit dem Jahr 1972 gelungen war,
mit einem Schiff den einzigen Pfeiler dieser Brücke 'abzuschießen'- und dies bei 'erschwerten Bedingungen' - immerhin beträgt die Durchfahrtsbreite hier 158 Meter.

Der Versuch, mit Schiffsführern aus Niedrig-Lohn-Ländern Kosten zu sparen, macht sich nach Ansicht der Wasserschutzpolizei in einer zunehmenden Zahl derartiger Havarien bemerkbar. Der Schwefelsäurehavarie im Hamburger Hafen ist nur der letzte Vorfall in einer Kette derartiger Unglücke. Weil auf Grund von "Verwaltungsreformen" in immer mehr Bundesländern die Wasserschutzpolizei zunehmend personell "augedünnt" wird, werden auch die Kontrollen der Schiffsführer und ihrer oftmals gefährlichen Ladung immer seltener. Weitere schwere Unglücksfälle mit Tankschiffen und anderen Gefahrguttransporten sind nach Ansicht des BBU damit vorprogrammiert.

Der BBU fordert deshalb, dass die Liberalisierung der Binnenschifffahrt zumindest so flankiert werden muss, dass verantwortungslose Schiffsführer schneller aus dem Verkehr gezogen werden können. Vor allem die verantwortlichen Reeder müssen mit abschreckenden Strafen belegt werden.

Letztlich fordert der BBU die drastische Reduzierung gefährlicher Seeguttransporte. Für die verbleibenden, dringend erforderlichen sind verschärfte Sicherheitsbestimmungen einzuführen.


Für Rückfragen: Nikolaus Geiler (Dipl.-Biol., Limnologe)
r e g i o W A S S E R e.V. & Arbeitskreis Wasser im BBU e.V.
Tel.: 0761/275 693; Fax: 0761/288 216,
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nik@akwasser.de, Internet: www.akwasser.de; www.regioWASSER.de