Feinstaub-Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster bedeutet empfindlichen Rückschlag für die Luftreinhaltepoltik
(Bonn, Herne, 12.10.2012) Als empfindlichen Rückschlag für die Luftreinhaltepolitik bezeichnet der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) das Urteil des nordrhein-westfälischen Oberveraltungsgerichts vom 9.10.2012. Der 8. Senat hatte die Klage eines Betroffenen abgewiesen, der die Stadt Herne auf die Durchführung kurzfristiger Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung verklagt hatte. Der Kläger wird nun prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten ihm verbleiben, um seinen Anspruch auf eine nicht gesundheitsschädigende Luftqualität durchzusetzen.
Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des BBU, der Sachbeistand des Klägers im Prozess war, erklärt hierzu: „Das Urteil hat erhebliche negative Effekte für alle Betroffenen in nordrhein-westfälischen Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen. Es ist nicht abzusehen, wie ein Anwohner in NRW zukünftig seinen Anspruch auf Leben und körperliche Unversehrtheit gegenüber dem Staat durchsetzen kann. Im Vergleich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25.7.2008 zur Feinstaubproblematik ist dies ein umweltpolitischer Rückschritt.“
Frühzeitig im Prozess stellten das Landesamt für Natur. Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV) sowie das Gericht die Übertragbarkeit der Werte der Herner Messstation auf den Wohnort des Klägers in etwa 200 m Abstand in Frage. Der Vertreter des LANUV ging dabei sogar davon aus, dass eine Übertragbarkeit nur innerhalb eines Radius von wenigen Metern existieren würde. Damit wird jeder Kläger zukünftig das Problem haben, aufwändige Computersimulationen oder Messungen selbst in Auftrag geben zu müssen, um seine Betroffenheit darzulegen. Von der im Immissionsschutz üblichen Praxis, Messwerte zumindest bis zu Abständen von 500 m bis 1000 m als repräsentativ anzusehen, wird damit zu Lasten der Betroffenen abgewichen.
Ähnlich verhält es sich mit konkreten Maßnahmen, die zur Feinstaubreduzierung beitragen sollen. Zwar hatte das OVG NRW formal festgestellt, dass ein Kläger nicht alle Maßnahmen im Detail nennen müsse. Der Verlauf der Verhandlung machte hingegen klar, dass der Kläger für seine Umgebung faktisch einen eigenen Teil-Luftreinhalteplan selbst erstellen lassen müsste, um zu seinem Recht zu kommen und sich gegen die abwehrenden Aussagen staatlicher Stellen durchzusetzen. Inhaltlich läuft dies darauf hinaus, alle Maßnahmen im Detail vorab zu nennen und ihre immissionsmindernde Wirkung konkret zu berechnen. Dies dürfte für keinen Anwohner leistbar sein. Das Gericht hat damit den Anspruch von Betroffenen auf eine nicht gesundheitsgefährdende Luftqualität ins Leere laufen lassen.
Oliver Kalusch vom BBU-Vorstand zeigt die Konsequenzen auf: „In Herne werden die verhängnisvollen Folgen des Urteils bereits einen Tag nach seiner Verkündung deutlich. Die Stadtverwaltung erklärt ihre weitgehende Untätigkeit nun fast zur vorbildlichen Aktivität. Da auch der Luftreinhalteplan Ruhrgebiet bisher versagt hat, wie das Gericht in der Verhandlung deutlich machte, wird auch in Zukunft keine Verbesserung der Situation eintreten.“
Abschließend führt Kalusch aus: „Es ist allerdings mehr als fraglich, ob das Urteil der Stadt Herne mittelfristig nützen wird. Die Europäische Kommission wird Ausflüchte bei der Reduzierung der Feinstaubimmissionen nicht zulassen. Die EU-Kommission interessiert lediglich, ob die Feinstaubgrenzwerte eingehalten werden. Anderenfalls werden Strafzahlungen auf die Bundesrepublik Deutschland zukommen. Die Bundesregierung wird sich dabei an das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Herne halten.“
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