Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
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BBU und BN stellen Strafanzeige gegen die Heinrich Schnarr GmbH
Fahrlässige Körperverletzung durch den Nitrosegas-Unfall im Juli?

Aschaffenburg. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU) und der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), Kreisgruppe Aschaffenburg, haben bereits am Mittwoch Strafanzeige gegen die Mainschaffer Firma Heinrich Schnarr GmbH wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz und gegen Arbeitsschutzvorschriften erstattet. Auf dem Gelände des Metallbearbeitungswerks hatte sich am 25. Juli dieses Jahres ein Störfall ereignet, bei dem eine größere Menge giftigen Nitrosegases ausgetreten war. Rund 560 Einsatzkräfte der Feuerwehren und Hilfsorganisationen waren damals im Einsatz. Weiter haben die Verbände erfahren, daß wegen des Störfalles von einer Main-Aschaffer-Bürgerinitiative bereits über 900 Protest-Unterschriften - auch aus Besorgnis vor weiteren Umweltbedrohungen durch die Fa. Schnarr - gesammelt wurden.

In ihrer Strafanzeige, die am 26. September bei der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg eingegangen ist, nehmen BBU und BN Bezug auf die umfangreiche Berichterstattung der lokalen Presse, des Lokalfernsehsenders und Augenzeugenberichte von Anwohnern und Einsatzkräften. Danach wurden bei dem Störfall am 25. Juli 2002 beträchtliche Mengen gesundheitsgefährdenden, giftigen Nitrosegases freigesetzt, die die gesetzlichen Grenzwerte z.T., d.h. bei den MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration), überschritten. Anwohner hätten von einer gelblich-rötlichen Gaswolke gesprochen, die bei 10 Metern Gebäudehöhe begonnen und bis ca. 30 Meter in die Höhe gereicht habe. Zum Beweis haben die Anzeigeerstatter Fotografien der Nachbarn beigelegt.

Von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erwarten BBU und BN, dass festgestellt wird, bei wie vielen Personen welche Gesundheitsstörungen bzw. Verletzungen aufgetreten sind. Nitrosegase können beim Einatmen kurzzeitige und bleibende Gesundheitsschäden verursachen, angefangen von leichteren Symptomen wie Augenreizungen, Bronchitis, Husten, Schwäche- und Schwindelanfälle und Brechreiz bis hin zum toxischen Lungenödem oder, bei wesentlich längerer Latenzzeit von zwei bis drei Wochen, bis zur sog. "chemischen Lungenentzündung" mit dauerhaften Lungenschäden. Bereits geringe Konzentrationen können die Immunkräfte schwächen. (Info: GESTIS – Stoffdatenbank, Gefahrstoffinformationssystem der gewerblichen Berufsgenossenschaften)

Nach Ansicht von BBU und BN haben die zuständigen Behörden in dieser Richtung nicht genügend untersucht, wie viele/welche Personen in Mainschaff das Gas eingeatmet haben und eventuell Körperverletzungen erlitten haben – obwohl laut Presseberichten bei Ersthelfern und Feuerwehrleuten leichte Reizungen aufgetreten seien, die Wehrleute von Ärzten betreut und durch Dekontaminationskammern geschleust sowie rund 50 weitere Personen von Notärzten und Sanitätern des ASB und des BRK untersucht und behandelt worden sind.

Die Staatsanwaltschaft soll daher ermitteln, welche Gesundheitsstörungen in der Umgebungsbevölkerung der Firma, in Mainaschaff und Kleinostheim, bei den Campern am Mainparksee – von denen 50-60 Erwachsene und Kinder zeitweise in die Kleinostheimer Maingauhalle evakuiert und dort registriert wurden – und vor allem bei den Betriebsangehörigen zu verzeichnen waren. Gerade bei der letzten Gruppe, heißt es in der Anzeige, sei eine besonders gründliche Untersuchung nötig, da den Berichten zufolge die gesetzlichen Grenzwerte, d.h. die MAK-Werte, um das bis zu Siebenfache überschritten worden seien. Dies könnte evtl. auch auf die Ersthelfer der Feuerwehren zutreffen, die auf bzw. vor dem Betriebsgelände der Firma Schnarr tätig waren.

BBU und BN fordern zudem, im Rahmen der Ermittlungen die Messungen aufzudecken, die anlässlich des Störfalls vorgenommen wurden und dazu ein unabhängiges Gutachter-Institut zu beauftragen. Hier gibt es, so die Umweltverbände, "erhebliche Informationsmängel". Insbesondere soll geklärt werden, wo, wann und durch wen die Messungen erfolgt seien: Nur am Boden oder auch in der 30 Meter hohen Gaswolke, am Störfalltag oder auch am Tag danach und bei welchen Windrichtungen. Ob die Messungen hieb- und stichfest seien, könne außerdem erst gesagt werden, wenn feststehe, ob geschultes Messpersonal und gültig geeichte Messgeräte zum Einsatz gekommen seien und inwieweit Rückstellmuster der genommen Proben vorhanden seien. Ferner sorgen sich BBU und BN darum, dass es durch den Störfall auch zu einer Schadstoff-Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers in der Nähe des Betriebes gekommen sein könnte.

Angesichts der Tatsache, dass bereits 1996 ein ähnlicher Vorfall für einen Austritt von giftigen Dämpfen und einen massiven Feuerwehr-Einsatz sorgte, wollen die Anzeigeerstatter wissen, ob die Staatsanwaltschaft damals bereits tätig wurde und welche Konsequenzen gezogen wurden.

Wichtige Anmerkung: Unseres Wissens liegt bereits eine Körperverletzung vor, wenn es durch ein Ereignis zu einer Gesundheitsgefährdung (z.B. Atembeschwerden, Augenreizung usw. mit anschließender ärztlicher Untersuchung bzw. medizinischer Behandlung) kommt.

Anlage:

Foto des Gift-Nitrosegas-Unfalles vom 25. Juli 2002 bei der Fa. Heinrich Schnarr GmbH, Mainschaff