Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
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Die Bürgerinitiativen ziehen Bilanz zum Erörterungstermin im 1. Genehmigungsschritt für den Abbau des Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich bei Koblenz (RLP) unter Leitung des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Umwelt und Forsten, 16. bis 20.06.2003

Nach 4 Tagen Erörterung konnte auch die professionelle Verhandlung unter Leitung von Ministerialrat Dieter Wolf, Umweltministerium, nicht mehr darüber hinwegtäuschen: Alle Einwendungen, Bedenken und Forderungen, die seitens der Bürgerinitiativen zum geplanten Abbau des AKW Mülheim-Kärlich schriftlich eingebracht wurden, sind berechtigt und müssen aufrechterhalten werden.

Fachlich beraten und unterstützt wurden die Bürgerinitiativen von ihren Sachbeiständen Eduard Bernhard (BBU e.V.), Robert Burg (AGUS, Koblenz) sowie von den Wissenschaftlern Wolfgang Neumann, Dipl.-Phys. (Gruppe Ökologie Hannover) und Dr. Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Berlin.

Zu Beginn warf Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. dem Betreiber RWE mangelnde Zuverlässigkeit und Fachkunde vor, die unbedingte Voraussetzung für eine Betriebsgenehmigung sind. Allein der "Schwarzbau" AKW Mülheim-Kärlich hat 107 Störfälle/Betriebsstörungen vorzuweisen von Aug. 85 bis März 90.

Für das AKW Biblis (Betreiber auch RWE) zählte Bernhard von Mai 99 bis zum 24.09.02 43 Störfälle/Betriebsstörungen auf.

Unvollständige Unterlagen erschwerten den Einwendern die Erörterung erheblich. Zentrale Sorge der Einwender sind die von RWE zugrunde gelegten Sicherheitsanforderungen für Abbau und Errichtung eines Standortlagers sowie die Freigabe von radioaktiven Abfällen in die Umwelt gemäß novellierter Strahlenschutzverordnung. Unter anderem konnte der Antragstellerin RWE keine vollständige Unterlage über das tatsächlich in der Anlage vorhandene Nuklidspektrum vorgelegt werden, weil nicht alle Nuklide gemessen wurden!

Die Betreiberin RWE lehnt die Auslegung des geplanten Standortzwischenlagers (für mittel- und schwachradioaktive Abfälle) gegen Flugzeugabsturz kategorisch ab: Ein unbeabsichtigter Absturz, beispielsweise einer Militärmaschine, sei dem Restrisiko zuzuordnen. Ein gezielter Absturz sei dagegen ein Terroranschlag und somit eine kriegerische Einwirkung auf das Lager und falle somit in die Zuständigkeit des Staates (Steuerzahlers).

Tatsächlich ist die Auslegung eines Zwischenlagers gegen Flugzeugabsturz technisch möglich und – z.B. für Brennelementlager – in Norddeutschland bereits Praxis.

Auch Hochwasser zählt zu den möglichen Störfällen: Der Sicherheitsabstand bis zur Eingangstür des Zwischenlagers beträgt 180 bzw. 95 cm je nach Fließgeschwindigkeit im Falle des 200-jährlichen Hochwassers (berechnet für den Extremfall von gleichzeitigem Hochstand von Rhein, Mosel und Lahn). Für den Fall, dass Hochwasser das Standortlager erreicht, versprach die Behörde kurzfristige Maßnahmen zur Sicherung.

Für die Auslegung des Lagers gegen Erdbeben sei die DIN-Norm wie für ein Bürogebäude ausreichend, da "nur" mittel- und schwachradioaktive Stoffe eingelagert würden, so die Vertreter der Antragstellerin RWE. Joachim Scheer, langjähriger und erfolgreicher Kläger gegen das AKW Mülheim-Kärlich, kündigte Klage an für den Fall, dass die Behörde das Standortlager nach DIN-Norm genehmigt: "Hier ist nach Expertenmeinung die Norm für kerntechnische Anlagen zugrunde zu legen", so Scheer.

Beim Strahlenschutz will RWE ebenfalls sparen. Die Auslegung des Zwischenlagers sorgt für eine Strahlenbelastung durch Direktstrahlung in relativer Nähe zum Grenzwert. RWE möchte den Beton zur Abschirmung der Direktstrahlung sparen und dafür lieber den Zaun versetzen. Radioaktive Abfälle, die nicht ins Zwischenlager kommen – das ist der größte Teil – sollen "frei" gegeben werden. Das heißt mit etwas "Pech" können wir der Radioaktivität im Heizkörper, als Straßenbelag oder in der Bürowand wieder begegnen.

Protest erhoben die Initiativen und Verbände weil die Behörde keine Zusage geben konnte für die Öffentlichkeitsbeteiligung im 2. und 3. Genehmigungsschritt für den Abbau des AKW. Die Beteiligung für diese nächsten Schritte wurde entschieden gefordert.

Bilanz:

Ein Endlager für den Abfall aus Mülheim-Kärlich wird es voraussichtlich in den nächsten 10 Jahren nicht geben, folglich bleiben z.Z. nur zwei Möglichkeiten:

  • Entweder Abbau des AKW’s und Verbleib des radioaktiven Abfalls in einem Standortzwischenlager und Freigabe des geringer radioaktiven Abfalls in das Alltagsleben
  • oder das Atomkraftwerk bleibt wie es ist.

Der Fortgang des Genehmigungsverfahrens wird maßgeblich beeinflusst, wenn es zu Klagen von Joachim Scheer und der Stadt Neuwied kommen sollte.

Aufgrund der desolaten Entsorgungssituation für radioaktive Abfälle wiederholen wir unsere Forderung aus dem vergangenen Jahrhundert:

Stillegung aller Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland !!!

Zur Erinnerung: Plutonium, der giftigste radioaktive Stoff der Welt, strahlt 24.400 Jahre tödlich. Er wird zusammen mit vielen anderen Radionukliden in Atomkraftwerken produziert.