Offener Brief
An
Bundesumweltminister Jürgen Trittin
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
53175 Bonn
Per Fax
Bonn,
02.04.03
ARD-Fernsehsendung
"FAKT" am 31.03.03: Zahlreiche Chemieanlagen weisen gravierende
Sicherheitsmängel auf (s. Anlage) / Deutsche Chemie-Konzerne
ignorieren notwendige Sicherheitsmaßnahmen bzw. Empfehlungen
der Störfall-Kommission (SFK) des BMU
Sehr geehrter Herr Bundesminister
Trittin,
in der vorgenannten
ARD-Fernsehsendung - initiiert vom MDR und detailliert dargestellt
im anliegenden 2-seitigen Textausdruck aus dem Internet - wurde
Millionen Bürgerninnen und Bürger im In- und Ausland beweiskräftig
in Bild und Ton vorgeführt, daß von 8 Chemie-Betrieben,
die der Störfall-Verordnung unterliegen, bei 6 Betrieben ein
Eindringen von unbefugten Personen via PKW ohne Mühe, das heißt
ohne entsprechende Sicherheitskontrolle, möglich war !
In Anbetracht des furchtbaren
Terroranschlages vom 11.09.01 in den USA sowie der unabsehbaren
Folgen des Afghanistan-Krieges und aktuell im Zusammenhang mit dem
nun bereits seit 13 Tagen entbrannten Irak-Krieg halten wir es für
unverantwortbar, daß deutsche Chemie-Betriebe - insbesondere
solche, die der Störfall-Verordnung unterliegen, immer noch
ihre eigenen Anlagen und damit auch ihre Betriebsangehörigen
sowie die Umgebungsbevölkerung , z.T. in Ballungsräumen,
unabsehbaren Risiken wie Explosionen, Brände usw. aussetzen.
Entsprechende Bewertungen
erfolgten in dem Fernsehbericht auch durch den Vorsitzenden der
SFK, Herrn Prof. Dr. Christian Jochum, der sagte, er sei im Grunde
entsetzt und tief betroffen und sähe hier, und mit Sicherheit
auch bei den Aufsichtsbehörden, erheblichen Nachholbedarf.
Auch Manfred Krautter
von Greenpeace äußerte sich über die festgestellten
Sicherheits- und Kontrollmängel äußerst kritisch,
speziell über eine im Freien liegende große Chlorgasleitung
mit offener Zugangstür.
Sehr geehrter Herr Bundesminister
Trittin,
bekanntlich hat die
von Ihnen berufene Störfall-Kommission in ihrer 41. Sitzung
am 23.10.02 einen Leitfaden "Eingriffe Unbefugter" beschlossen,
in dem Betreibern Maßnahmen zur Sicherung ihrer Betriebsbereite
und Anlagen empfohlen werden. Die SFK hat in diesem expliziten Beschluß
an Betreiber und Behörden appelliert, diesen Leitfaden zeitnah
umzusetzen.
Leider muß nun
aufgrund der FAKT-Sendung vom 31.03.03 festgestellt werden, daß
die Betreiber diesen unverbindlichen Empfehlungen nicht ausreichend
nachgekommen sind. Bei 3/4 der getesteten Betriebsbereiche wäre
ein Zutritt nicht nur von Terroristen, sondern z.B. auch durch spielende
Kinder möglich. Offensichtlich mangelt es Betreibern an einem
ausreichenden Problembewußtsein in Bezug auf Bedrohung und
Risiken durch Eingriffe Unbefugter. Statt ihre Betriebsbereiche
und Anlagen zu sichern, versuchen sie in z.T. fragwürdiger
Weise Teile ihrer Sicherheitsberichte geheim zu halten (vgl. Schreiben
von Frau Horster, BUND, Md-SFK). Hierdurch werden unseres Erachtens
terroristische Angriffe nicht verhindert, sondern nur die Beziehungen
zu Mitarbeitern und Nachbarn gestört.
Wir bitten Sie daher,
den vom Öko-Institut in die 39. Sitzung der SFK am 16.01.02
eingebrachten Vorschlag, die Pflichten der Betreiber durch einen
zusätzlichen Anhang zur Störfall-Verordnung zu regeln,
erneut zu prüfen. Angesichts des Versagens der unverbindlichen
Lösung bedarf es u.E. des Tätigwerdens des BMU zwecks
einer die Betreiber unmittelbar bindenden Lösung, um der aktuellen
Bedrohungslage gerecht zu werden.
Wir erbitten
schnellstmöglichst Nachricht und verbleiben mit freundlichen
Grüßen
BBU e.V.
Eduard Bernhard, Vorstandsmitglied
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