An das
Regierungspräsidium Kassel
Steinweg 6
34117 Kassel
per Fax 0561/106-1641
Bonn, 28.02.2002
Raumordnungsverfahren (ROV) für den geplanten Ausbau des Verkehrslandeplatzes
Kassel-Calden zu einem Verkehrsflughafen / Amtliche Bekanntmachung
des Regierungspräsidium Kassel vom 10.12.2001, 31.1 - 93 d
08 - 09
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.
V. fühlt sich mitsamt seinen angeschlossenen rund 150 Mitgliedorganisationen
von dem geplanten Ausbau des Flughafens Kassel-Calden betroffen,
findet ihn grundsätzlich unangemessen und lehnt ihn ab. Im
Rahmen des laufenden Raumordnungsverfahren erhebt der BBU daher
fristgerecht Einspruch, zumal das Projekt den Erfordernissen der
Raumordnung widerspricht, und beantragt den Abbruch des weiteren
Planungsverfahrens. Unsere Solidarität gilt den Bürgerinitiativen
in und um Kassel, die sich zum Schutz der Bevölkerung und der
bedrohten Natur gegen die Ausbaupläne in Kassel-Calden engagieren.
Zur Begründung:
01. Das Raumordnungsverfahren vernachlässigt, das derzeit
bundesweit Flughäfen ausgebaut werden sollen (z. B. Frankfurt,
Münster/Osnabrück, Stadtlohn). Damit droht bundesweit
eine verstärkte Zunahme untragbarer Flugbewegungen. Verkehrspolitisch
ist das Vorhaben nicht notwendig.
02. Der insgesamt umweltschädliche Flugverkehr muß reduziert
und darf nicht weiter gesteigert werden.
03. Lärm und Abgase des Flugverkehrs belasten die Bevölkerung
und die gesamte Umwelt.
04. Sinnvolle und umweltschonende Verkehrsmittel sind verstärkt
zu fördern, insbesonders der Ausbau des innerdeutschen Schienenfernverkehrs
und des ÖPNV.
05. Es ist zu befürchten, daß die angestrebten zukünftigen
Flugrouten in und um Kassel lediglich den Idealfall widerspiegeln,
in Wahrheit aber zu zusätzlichen Lärmbelastungen führen
können.
06. Der Ausbau in Kassel-Calden führt zu massiven Wertminderungen
vorhandener Erholungsräume und betroffener Privatgrundstücke.
07. Der Ausbau des Flughafens und der damit verbundene Flugbetrieb
kann zu massiven Belastungen des Grundwassers und benachbarter Oberflächengewässer
führen.
08. Der Ausbau des Flughafens produziert weiteren PKW-Verkehr im
näheren und weiteren Umfeld, der als zusätzliche Belastung
der Bevölkerung nicht hinnehmbar ist.
09. Der Flughafenausbau steigert die Wahrscheinlichkeit für
Abstürze über Wohngebieten.
10. Besonders Augenmerk muß bei dem beantragten Vorhaben
gerade auch unter Berücksichtigung der Raumordnung dem Vogelschutz
eingeräumt werden. So kommen im betroffenen Gebiet bekanntlich
mindestens 104 Vogelarten vor, die in der nationalen bzw. Hessischen
Roten Liste der Vögel genannt sind, oder die im Anhang 1 der
EU-Vogelschutzrichtlinie aufgelistet sind. Alle diskutierten Varianten
der Flughafenerweiterungspläne hätten die Folge, daß
der zentrale Bereich des zukünftigen Flughafens sowie die geplanten
Gewerbegebiete einen ornithologisch wertvollen Bereich zerschneiden
würden. (vgl. Ornithologisches Fachgutachten, Zusammenfassung
der Ergebnisse, 05.11.01). Gerade dieser ornithologische Aspekt
verdeutlicht, daß das Vorhaben nicht umweltverträglich
ist. Es darf nicht realisiert werden.
11. Relevant für das Raumordnungsverfahren ist auch, daß
je nach Ausbauvariante Geländeabtragungen und -verfüllungen
von bis zu 10 Millionen Kubikmeter nötig wären. Hinzu
käme der Verlust von 60 - 80 ha Wald - Maßnahmen, die
laut Prof. Toepel zu "unverhältnismäßigen Eingriffen
in die Natur und Landschaft" (Zitat nach "Informationen zum Neubau/Ausbau
des Flugplatzes Kassel-Calden" der Bürgerinitiativen Ahnatal
und Calden, November 2000, Kapitel 9) führen würden.
12. Es ist davon auszugehen, daß auch im Raum Kassel die
Grenzen von Wachstum und Verdichtung mit flächenbeanspruchenden
und umweltbelastenden Großanlagen unter ökologischen
Kriterien, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der
natürlichen Lebensgrundlagen und der Lebensqualität der
Menschen in dieser Region, erreicht sind.
13. Ein weiterer Verlust von Freiflächen im großen Ausmaß
kann in dieser Region zu schwerwiegenden Schäden des Naturhaushaltes,
der Naherholungsmöglichkeiten, des Grund- und Oberflächenwassers,
des örtlichen Klimas und der Tier- und Pflanzenwelt führen.
14. Eine weitere Belastung der Umwelt durch Lärm und Luftverunreinigungen
in dieser Region kann zu Gesundheitsschäden der Bevölkerung
führen. Diesen ökologischen Kriterien muß sich bei
einer Raumordnung, die dem nachhaltigen Agenda-Gedanken verpflichtet
ist, auch der Luftverkehr unterordnen.
Sollten Sie unseren Einspruch abweisen und das Genehmigungsverfahren
nicht abbrechen, beantragen wir hilfsweise, daß Sie im weiteren
Rahmen des Verfahrens keine GutachterInnen mit der Untersuchung
und Prüfung des Vorhabens beauftragen, die in irgendeiner Form
in geschäftlichen oder privaten Beziehungen zu den Antragstellern
stehen. GutachterInnen haben im Interesse der betroffenen Bürgerinnen
und Bürger vorzugehen. Auch für bereits erstellte Gutachten
ist zu prüfen, ob die GutachterInnen nicht in irgendeiner Form
in geschäftlichen oder privaten Beziehungen zu den Antragstellern
stehen oder standen. In diesem Zusammenhang möchten wir unsere
Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, daß Frau Regierungspräsidentin
Oda Scheibelhuber laut HNA vom 8.12.01 persönlich eine Flughafenbefürworterin
sein soll. Wir beantragen Aufklärung darüber, ob die Darstellung
richtig ist. Ggf. wäre dann zu prüfen, ob dem RP Kassel
das Verfahren wegen Parteilichkeit zu entziehen wäre.
Falls es noch nicht geschehen ist, ist ein lärmpsychologisches
Gutachten zu erstellen, in dem die tatsächliche und drohende
Belastung der Betroffenen AnwohnerInnen zu ermitteln ist.
Wir behalten uns vor, diese Begründung bei einem folgenden
Erörterungstermin, zu dem wir frühzeitig eingeladen werden
möchten, zu vertiefen. Zu diesem Zweck ersuchen wir Sie, uns
die in o. g. Bekanntmachung erwähnten Verfahrensunterlagen
kostenneutral zu übersenden. Weiterhin bitten wir um die umgehende
Bestätigung der Pressedarstellung (21.12.02), daß Fachbehörden,
Bürgerinitiativen u. ä. Ihre Eingaben noch bis zum 28.3.02
einreichen bzw. vertiefen können. Sollte es zur Durchführung
eines Erörterungstermines kommen, ist für die EinwenderInnen
ein separater Beratungsraum mit Büroausstattung vorzuhalten
(Tische, Stühle, Telefone, Fax, PC samt Drucker etc.).
Mit freundlichen Grüßen
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gez.
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Eduard Bernhard, BBU-Vorstandsmitglied
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Udo Buchholz, BBU-Vorstandsmitglied
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