Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
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BBU und BN erheben 26 Einwendungen zur geplanten Stilllegung und Abbau des RWE-Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich / Rhld.-Pfalz / Bevölkerung wird zum Versuchskaninchen

Mit 26 Einwendungen haben sich die Umweltverbände BBU (Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, Bonn) und BN (Bund Naturschutz in Bayern, Kreisgruppe Aschaffenburg) schriftlich zu der von RWE geplante Stilllegung und den Abbau des Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich zu Wort gemeldet. Die RWE AG hatte am 18. Dezember 02 einen entsprechenden Antrag gestellt.

Die wichtigsten Einwendungen zum Abbau und die Stilllegung betreffen den Betreiber - die RWE AG. Die Verbände werfen dem Unternehmen unter anderem vor, die Anlage gesetzeswidrig erbaut zu haben, nämlich auf einem anderen als dem eigentlich genehmigten Grundstück. Daraufhin erfolgte Klagen führten am 09.09.88 dazu, daß vom Bundesverwaltungs-Gerichtshof Berlin die erste Teil-Errichtungsgenehmigung aufgehoben wurde und der Reaktor bis heute nicht wieder in Betrieb ging. Sie bezweifeln die nach dem Atomgesetz nötig "Zuverlässigkeit und Fachkunde" der RWE-Verantwortlichen, aber auch der für den Abbau vorgesehenen Institutionen wie den lokalen TÜV-Organisationen. BBU und BN stützen diese Zweifel auf die "serienweise" Störfälle und besondere Vorkommnisse in den RWE-Atomanlagen Mülheim-Kärlich, Biblis A + B und andernorts. Bezweifelt wird, dass RWE überhaupt die notwendigen Erfahrungen hat, um den Abbau risikofrei stillzulegen: Handelt es sich bei dem Reaktor in Mülheim-Kärlich doch um erstens den größten Reaktor in Deutschland (1300 MW) und zweitens von der Bauart her um den Typ wie in Harrisburg/USA, eine Anlage, bei der es fast zu einer Katastrophe gekommen wäre. Bisher liegen in Deutschland nur Teil-Erfahrungen bzgl. eines Reaktorrückbaus vor: Noch im Gange sind die Arbeiten beim VAK Kahl am Main (15 MW), AKW Würgassen (600 MW), AKW Niederaichbach (107 MW) und einem Reaktor in Greifswald (440 MW). Somit wird die Umgebungs-Bevölkerung von Mülheim-Kärlich bzw. Rheinland-Pfalz zu "Versuchskanichen" der RWE-Atom-Industrie, äußerte Eduard Bernhard, Energiepolitischer Sprecher des BBU.

Die Umweltverbände vermissen in den Anträgen von RWE auch essentielle Informationen: So wird die Abbruchdauer verschwiegen, es fehlen Angaben zu den voraussichtlichen Kosten und eventuell dafür gebildeten Rücklagen bei RWE. Es fehlt der Nachweis einer Haftpflichtversicherung. Für unzureichend betrachten der BBU und der BN die ausgelegten Unterlagen und die Untersuchung zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Vermisst wird auch ein ausreichendes Entsorgungskonzept für die radioaktiven Abfälle; schließlich hat die Bundesregierung bislang kein Endlager-Konzept verwirklicht.

Ein weiteres Manko ist es laut Einwendungsschrift, dass bislang nicht vorgesehen ist, im Zusammenhang mit der Freigabe von Materialien aus der Anlage das gesamte messtechnisch Nuklidspektrum zu erfassen. Dies aber sei unumgänglich für eine begründete Aussage über die Einhaltung der Freigabekriterien und für eine Abschätzung der aus der Freigabe resultierenden Strahlenbelastung der Bevölkerung.

BBU und BN kündigen an, im Laufe des Genehmigungsverfahrens vertieft und fundiert auf diese und die übrigen Einwendungen einzugehen.

 

BBU e.V. und Bund Naturschutz Bayern, KG Aschaffenburg erheben Einwendungen gegen geplante Stillegung und Abbau des RWE-Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich

An das
Ministerium für
Umwelt u. Forsten
Abtlg.. 109
Kaiser-Friedrich-Str. 1

Mainz

Per Fax

Bonn /Aschaffenburg, 23.04.2003

 

Unsere Einwendungen gegen geplante Stillegung u. Abbau des RWE-Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich/ Antrag der RWE AG, Essen v. 18.12.02

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

gegen die geplante Stillegung u. Abbau des RWE-AKW Mülheim-Kärlich erheben wir folgende Einwendungen:

  1. Gesetzwidrige Erbauung des AKW Mülheim-Kärlich, d. h. die Atomanlage wurde - entgegen den genehmigten Antrag / Bauunterlagen - auf einer anderen Bodenfläche errichtet.
  2. RWE - Verantwortliche haben nicht die nach § 7 des Atom-Gesetzes bzw. Strahlen-Schutz-Verordnung notwendige Zuverlässigkeit u. Fachkunde.
    Beweise: u. a. serienweise Störfälle / Besondere Vorkommnisse in anderen RWE-Atom-Anlagen, z. B. AKW Biblis A+B; jahrelang zigfache Verstöße gegen die Strahlen-Schutzverordung bei Transport von radioaktiven Materialien!
  3. Es wird bezweifelt, daß RWE die notwendigen Erfahrungen hat, um einen sicheren Abbau, d. h. für die Umgebungs-Bevölkerung risikofrei durchzuführen.
    Begründung: AKW Mülheim-Kärlich ist der einzig Druckwasser Reaktor in der BRD, der von ABB / Typ: Fast-Katastrophen-AKW "Harrisburg USA" gebaut wurde. Mit 1300 KW ist Mülheim-Kärlich der größte Reaktor in Deutschland, da zum Abbruch bisher nur Teil-Erfahrungen bezüglich der noch im Gang befindlichen Arbeiten beim VAK Karlstein (15 MW), Siedewasser-AKW Würgassen ca. (600 MW), AKW Niederaichbach (107 MW) sowie ein AKW in Greifswald (440 MW)
  4. Unklar ist welche Ausbildung / Erfahrungen die für den Abbau vorgesehenen
    Arbeitskräfte nicht nur der RWE, sondern auch evtl. von Fremdfirmen wie z.B. von Erbauer-Firma, ABB/ oder evtl. auch der Fa. Noell, Würzburg haben.
  5. Bezweifelt wird auch die notwendige Fachkunde / Erfahrung von Kontroll-Einrichtungen, wie z. B. den vorgesehenden TÜV-Organisationen.
  6. Unbekannt ist die Abbruchsdauer sowie der voraussichtliche Kostenaufwand der Stillegung / bzw. des Abbaus
    Anmerkung: Wir schätzen Zeitdauer ca. 8-10 Jahre und ca. 3-5 Milliarden Euro.
  7. Nicht offengelegt ist, ob und in welcher Milliarden Euro Höhe in der RWE Konzern-Bilanz entsprechende Rückstellungen festgelegt sind.
  8. Es fehlt der Nachweis, ob eine entsprechende Haftpflicht Versicherung vorliegt und wenn ja, in welcher finanziellen Höhe.
  9. Die ausgelegten Unterlagen sind zum Teil nicht nachvollziehbar und unvollständig.
  10. Die ausgelegte Untersuchung zur Umweltvertäglichkeitsprüfung ist unzureichend (u. a. in Bezug auf Alternativenprüfungen, Bewertungsmaßstäbe).
  11. Die im Sicherheitsbericht aufgeführte Strahlenbelastung ist inakzeptabel hoch. Eine Berücksichtigung des Minimierungsgebotes der Strahlenschutzverordnung ist nicht erkennbar.
  12. Die Problematik der Freisetzung anderer als radioaktiver Schadstoffe ist nicht ausreichend dargestellt (u. a. in Bezug auf Asbest in der Baumasse des Kühlturms, Reaktorgebäudes etc.)
  13. Die radioaktiven Kontaminationen durch Vorkommnisse bzw. Störfälle während der Inbetriebnahme, des Betriebes, der Stillstands- und Konservierungszeiten des KMK sind nicht in ausreichendem Detaillierungsgrad und für uns nicht nachvollziehbar dargestellt.
  14. Es ist nicht nachgewiesen, daß bei Dekontaminations-, Abbau und Abrissarbeiten die Freisetzung aller Schadstoffe in die Umwelt für das jeweilige Vorhaben minimiert wird.
  15. Eine Freigabe von Materialien aus der Anlage darf nur erfolgen, wenn nachgewiesen ist, daß diese Materialien durch den Anlagenbetrieb nicht radioaktiv kontaminiert und/oder aktiviert sind.
  16. Alle Anlagen und Gebäudeteile sind im Rahmen des Atomrechts abzureißen. Es sind weder Weiternutzung noch Abriß im konventionellen Rahmen vorzusehen.
  17. Der Boden auf dem Anlagengelände ist bis in eine Tiefe abzutragen, in der keine durch den Anlagenbetrieb verursachte Kontaminationen mehr nachweisbar sind.
  18. Es ist sicherzustellen, dass bei Stillegungs- und Abbauarbeiten keine nachteiligen Auswirkungen für Oberflächen- und Grundwasser im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes auftreten.
  19. Alle radioaktiven Stoffe sind nach ihrem Anfall umgehend in eine Form zu überführen, die radioaktive Freisetzungen bei normalem Umgang und bei Störfällen so weit wie möglich verhindert.
  20. Die Konzepte aller bisherigen Bundesregierungen zur sogenannten Entsorgung sind gescheitert. Die Standorte Gorleben und Salzgitter sind für Endlager ungeeignet. Die Antragsstellerin hat kein ausreichendes Entsorgungskonzept für die radioaktiven Abfälle vorgelegt.
  21. Für den Fall der Einrichtung eines Standortzwischenlagers ist dieses gegen alle Einwirkungen von Außen, einschließlich Flugzeugabsturz, Erdbeben Explosionen, auszulegen.
  22. Für die Genehmigungsschritte 2 und 3 sind weitere Beteiligungen des Öffentlichkeit vorzusehen.
  23. Es ist nicht zu ersehen, wie die Ermittlung der Kontamination mit Alpha- und Betastrahlen in Zusammenhang mit der Freigabe von Materialien aus der Anlage erfolgen soll.
  24. Es ist zu ergänzen, nach welchem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren die Einrichtung einer Freimeßhalle erfolgen soll.
  25. Es ist nicht vorgesehen, in Zusammenhang mit der Freigabe von Materialien aus der Anlage das gesamte Nuklidspektrum meßtechnisch zu erfassen. Für eine begründete Aussage über die Einhaltung der Freigabekriterien ist eine solche Erfassung jedoch unumgänglich. Auch ist eine Abschätzung der aus der Freigabe resultierenden Strahlenbelastung der Bevölkerung ohne diese konkreten Daten nicht möglich.
  26. Es gibt keine Angaben darüber, inwieweit die uneingeschränkte Freigabe in Anspruch genommen werden soll und wie man in einem solchen Fall die Bevölkerung zuverlässig vor Strahlenbelastungen oberhalb von 10 Mikrosievert schützen will

Wir behalten uns vor, unsere Einwendungen auf dem Erörterungstermin vertiefend darzustellen und bitten um Mitteilung zu allen das Genehmigungsverfahren betreffenden Vorgängen.

Für den BBU e.V.
Eduard Bernhard, Vorstandsmitglied

Für den BN KG Aschaffenburg
K.H. Wissel, Stellvertr. Vorsitzender